Ein Plan gibt mir Sicherheit. Ich mag, Dinge erklären und vorhersagen zu können. Das funktioniert, wenn der Plan auf klaren Gesetzmäßigkeiten basiert. Wenn sich die Vergangenheit in die Zukunft fortschreiben lässt. In einer hochvernetzten, komplexen (Geschäfts-) Welt ist das nicht möglich. Da braucht es Ideen, mit Unberechenbarkeit umzugehen. Agilität hilft dabei.
Über Jahrzehnte etablierte „Gesetzmäßigkeiten“ gelten plötzlich nicht mehr:
- Für den Einkauf fuhren wir in die Innenstädte. Heute liegen die großen Einkaufszentren irgendwo außerhalb. Oder im Internet, wo wir 24/7 bummeln können.
- Großfamilien heute werden nicht mehr durch mehrere Generationen geprägt, sondern durch Patchwork als Zusammenschluss von Partnern und Kindern aus verschiedenen Beziehungen.
- Wissen – noch vor wenigen Jahrzehnten einer gesellschaftlichen Elite (Adlige, Priester) vorbehalten – wurde mit dem Internet für alle Gesellschaftsschichten erreichbar.
Wir haben uns damit arrangiert, dass Modelle, die gestern in unserer Gesellschaft noch funktionierten, heute nicht mehr gültig sind.
Gleichzeitig halten wir im eigenen beruflichen Kontext an Konstrukten fest, die aus der industriellen Frühzeit und Fließbandfertigung stammen. Wir glauben in vielen Unternehmen immer noch, dass sich erfolgreiches Business über Jahre im Voraus und auf den Euro genau planen lässt. Bullshit!
Die Planwirtschaft ist gescheitert
Wenn wir planen, zeichnen wir ein Bild von dem Weg, den wir vor uns sehen. Wir schätzen Risiken ein und benennen Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen.
Das funktioniert ganz gut in einem statischen Umfeld. Wenn der Markt und dessen Teilnehmer bekannt sind. Oder wenn die Gesellschaftsform den Rahmen festlegt.
In der Planwirtschaft definiert der Staat, mit welchen Gütern und Dienstleistungen seine Bürger versorgt werden. Er gibt Mittel und Wege vor, um die Planziele zu erreichen. Das mag in abgeschotteten Systemen funktioniert haben. In einer offenen und vernetzten Welt stößt diese Wirtschaftsform an ihre Grenzen:
- Keine Planwirtschaft hat es bisher geschafft, durch den Zwang zur Planerfüllung den Wohlstand der Menschen im Land zu erhöhen (zumindest im Vergleich zu anderen Wirtschaftsformen).
- Die Planenden können nicht über die Fülle an Informationen verfügen bzw. die Informationen treffend deuten. Der Plan geht damit regelmäßig am Bedarf vorbei; Mangel und Überschuss sind die Folgen.
- Zentrale Vorgaben tragen den Veränderungen im Markt nicht hinreichend Rechnung. Dynamik und Innovationsfähigkeit bleiben auf der Strecke. Technischer Fortschritt: Fehlanzeige.
Der 10-Jahres-Plan wiegt uns in Sicherheit
Obwohl wir die Nachteile der Planwirtschaft kennen und diese Wirtschaftsform in Europa keinen Platz mehr hat, leben hierzulande etliche Unternehmen eine Form der Planwirtschaft: Sie erstellen 5- oder gar 10-Jahres-Pläne, von denen die Planer glauben möchten, dass diese hilfreich sind für die Entwicklung des Unternehmens.
Auch hier gilt: In starren Märkten – z. B. bei der Trinkwasserversorgung – mag dies einigermaßen funktionieren. Der Wasserbedarf einer Stadt lässt sich (relativ) gut vorhersagen (wenn wir Klimaextreme außen vor lassen). Investitionen in Wasseraufbereitung und -verteilung sind langfristig angelegt. Mit großen Innovationen am Markt ist (bisher!) nicht zu rechnen.
Für statische Märkte lassen sich (Wirtschafts-) Pläne erstellen, die 5 oder 10 Jahre in die Zukunft blicken. Mit hoher Treffsicherheit. Weil
- Zahlen aus der Vergangenheit vorliegen, die sich so für die Zukunft fortschreiben lassen und
- eine Veränderung am Markt (auch staatlich reguliert) nicht gewollt bzw. nicht zu erwarten ist.
Doch auch betriebswirtschaftlich gesehen, kann eine langjährige Vorausplanung sinnvoll sein: Forschungsprogramme brauchen eine langfristige Planung, die langfristig Ressourcen sichert. Diese ist Voraussetzung, um große, visionäre Ziele verfolgen zu können. Die Mondlandung war ein solches Ziel.
Zentrales Planen und Verteilen der Mittel verhindert flexibles Reagieren auf Veränderungen.
Management lebt von (Plan-)Vorgaben
Die Aufgaben eines Unternehmens-Managers sind Organisation, Entscheidung, Delegation, Koordination und Kontrolle. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, braucht er Vorgaben. Der Wirtschaftsplan eines Unternehmens macht dem Manager diese Vorgaben.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn sich Unternehmensmanager an einen Wirtschaftsplan klammern: Der Planer hat die Aufgaben des Managers definiert. Der Manager hat jetzt die Legitimation für seine Arbeit.
Blöd nur, wenn der Plan nicht stimmt. Wenn er nicht stimmen kann, weil der Planer kein Hellseher ist. Weil er die Zukunft nicht vorhersagen kann.
Einen seriösen Plan gibt es hier nicht
Viele Märkte entwickeln sich so dynamisch, dass ein seriöser Blick in die Zukunft nicht möglich ist. Der Telekommunikationsmarkt (in Deutschland) ist so ein Beispiel:
- Jahrzehnte in staatlicher Hand (Deutsche Bundespost), 1998 für den Wettbewerb geöffnet. Dadurch kam es (vor allem in den Jahren 1999 bis 2001) zu einem starken Preisverfall bei den TK-Diensten.
- Die Verbreitung von Mobilfunk und DSL-Anschlüssen ließen den Umsatz (in den Jahren 1998 bis 2006) um 50 % wachsen.
- Im Massenmarkt etablierten sich über die letzten 20 Jahre ganz neue Möglichkeiten des Internetzugangs: DSL-, Kabel-, Mobilfunk-, WLAN- und Glasfaser-Anschlüsse.
- Entscheidungen des Gesetzgebers machten Vorgaben, z. B. Preise für die Miete von Teilnehmeranschlussleitungen (TAL), zur Mitnutzung von öffentlichen Versorgungsnetzen für die Telekommunikation oder zur Routerwahlfreiheit.
- Neue Technologien (z. B. von DSL über VDSL hin zu G.fast) eröffnen neue Möglichkeiten (höhere Internetgeschwindigkeiten über längere Distanzen).
Das Management muss damit leben, dass es in diesem dynamischen Umfeld keine seriöse 10-Jahres-Planung geben kann. Beispiel:
Vor 10 Jahren kannten die meisten von uns Airbnb noch gar nicht (2008 im Silicon Vally gegründet). Mittlerweile vermittelt Airbnb in über 190 Ländern mehr als 4 Millionen Übernachtungsmöglichkeiten. Ein Bettenanbieter, der ein etabliertes Geschäftsmodell aus den Angeln hebt. Die Folgen hatten bestimmt die wenigsten Hotelmanager in einem 10-Jahres-Plan berücksichtigt.
Und warum stecken wir unsere Energie in 10-Jahres-Pläne?
Weil es einfach ist, sich dahinter zu verstecken. Fehlentscheidungen lassen sich damit prima legitimieren.
Ganze Heere von Planern und Beratern leben davon, dass 10-Jahres-Pläne nicht funktionieren: Wenn wir nach den ersten Hochrechnungen feststellen, dass schon das erste Planungsjahr anders verläuft, wir daraus die Legitimation, um noch mehr Aufwand in noch detailliertere Pläne zu stecken.
Besser agil als 10-Jahres-Plan
Die Bedürfnisse unserer Kunden verändern sich. Auch der Rahmen, in dem wir uns bewegen, verschiebt sich.
Wir brauchen einen wachen Blick, um diese Veränderungen zu erkennen. Nur dann können wir darauf reagieren. Und wir brauchen Flexibilät, um passende Antworten zu liefern. Das Korsett eines fixen Plans hilft hier nicht. Agilität ist die Lösung.
Agilität braucht Freiheit
Die klassische Organisation denkt und lebt in Projekten und Prozessen. Sie ist geprägt von Hierarchien.
Dagegen bietet eine agile Organisation flexibel Möglichkeiten, mit (Planungs-) Unsicherheit umzugehen.
- Eine agile Organisation hat ein klar formuliertes Zielbild. Die Vision des Unternehmens liegt auf dem Tisch. Sie ist kommuniziert und für Kunden, Mitarbeiter und Shareholder verständlich formuliert.
- Der Kunde steht im Mittelpunkt des Handelns. Alles, was agile Unternehmen tun, soll den Kundennutzen maximieren.
- Statt starrer Geschäftsprozesse liefern flexibel gestaltbare Iterationen kurzfristig Ergebnisse. Veränderungen im Umfeld werden sofort aufgenommen.
- Die Führungskraft löst den Manager ab. Sie schafft Raum, damit Mitarbeiter eigenverantwortlich entscheiden und aus Fehlern lernen können.
- Agile Kultur ist geprägt von Transparenz, Dialog und Vertrauen. Statussymbole und Business-Theater sind fehl am Platz.
Auf dem Weg zu agiler Planung
In agilen Unternehmen braucht es keine starren 10-Jahres-Pläne. Führung und Mitarbeiter haben gelernt, innerhalb des vorhandenen Aktionsraums mit Unsicherheit umzugehen und die passenden Antworten zu finden.
Der Aktionsraum wird beschrieben durch
- Leistungsversprechen an und Erwartungen der Kunden
- Vorgaben der Shareholder zu Geschäftsmodell, Budget und Gewinnerwartung
- Politische und regulatorische Festlegungen
- Vertragliche und finanzielle Verpflichtungen gegenüber Geldgebern, Kunden und Mitarbeitern
So bleibt für Führungskräfte und Mitarbeiter – trotz Vorgaben – viel Raum für agiles Handeln. Wenn wir den Kunden im Mittelpunkt unserer Entscheidungen halten, finden wir Lösungen, die funktionieren.
Ein Plan der nicht geändert werden kann, ist schlecht.
Publilius Syrus
Lasst uns anerkennen, dass Agilität die Antwort auf die Unplanbarkeit unserer Zukunft ist. Und lasst uns Agilität nutzten, um unser Business zu entwickeln. Das funktioniert besser als jeder 10-Jahres-Plan.
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