Einstieg: Große Pläne, kleine Schritte
Ich erinnere mich an ein Gespräch in einem mittelständischen Dienstleistungsunternehmen. Die Geschäftsführung wollte „endlich digitalisieren“ – und plante ein umfassendes System zur technischen Dokumentation, gleich mit Dashboards, automatisierten Schnittstellen und technischen Finessen, die man beim Wettbewerb entdeckt hat. Ambitioniert. Doch beim ersten Go-live stockte alles: Die Software konnte viel – aber passte nicht zum Alltag der Mitarbeitenden. Die Techniker dokumentierten weiterhin lieber in den alten Tools, das neue System blieb leer.
Was war passiert? Man hatte in Technik gedacht – nicht in Arbeit.
Diese Szene ist kein Einzelfall. Viele Digitalisierungsprojekte starten mit großen Ambitionen – und landen dann in der Schublade. Nicht weil die Tools schlecht wären. Sondern weil sie nicht zur Realität im Unternehmen passen. Oder weil sie zu schnell, zu viel, zu abstrakt wollen.
Digitalisierung mit Augenmaß heißt: nicht alles auf einmal, sondern Schritt für Schritt. Nicht perfekte Lösungen ausrollen, sondern gute Fragen stellen. Und vor allem: nicht die Menschen vergessen, die damit arbeiten sollen.
Der blinde Fleck vieler Digitalisierungsstrategien
Wenn in Unternehmen über Digitalisierung gesprochen wird, stehen oft Tools im Mittelpunkt: Welche Software sollen wir einführen? Wie lassen sich Prozesse automatisieren? Was macht die Konkurrenz?
Dabei wird ein wichtiger Aspekt übersehen: Ein Tool ist kein Selbstzweck. Es löst keine Probleme, die nicht vorher verstanden wurden. Und es entfaltet seinen Nutzen nur dann, wenn es zu den Menschen, zur Kultur und zu den konkreten Arbeitsabläufen passt.
Der blinde Fleck vieler Digitalstrategien ist nicht technischer Natur – sondern organisatorisch und menschlich. Es fehlt die Verbindung zwischen dem, was technisch möglich ist, und dem, was praktisch gebraucht wird. Zwischen „Wir könnten“ und „Wir sollten wirklich …“
Was stattdessen gebraucht wird? Aufmerksamkeit. Für die vorhandenen Arbeitsweisen. Für das implizite Wissen im Team. Für die kleinen, unsichtbaren Reibungen im Alltag. Und für den Mut, nicht alles mit dem digitalen Vorschlaghammer zu lösen, sondern schrittweise, passend und gemeinsam.
Digitalisierung ist kein IT-Projekt – sondern Veränderung
Viele Unternehmen behandeln Digitalisierung wie ein Infrastrukturthema: etwas, das die IT-Abteilung beschafft, implementiert und anschließend betreut. Dabei übersehen sie: Digitalisierung verändert die Art, wie gearbeitet wird – nicht nur die Technik, mit der gearbeitet wird.
Ein neues Tool kann Prozesse vereinfachen, Transparenz schaffen, Zusammenarbeit erleichtern. Aber es verändert auch Gewohnheiten. Wer wann worauf Zugriff hat. Wer entscheidet. Wie Rückfragen laufen. Wo Abstimmungen stattfinden.
Deshalb ist Digitalisierung immer auch ein Change-Prozess. Und dieser beginnt nicht mit einer Ausschreibung – sondern mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme: Wie arbeiten wir aktuell? Was funktioniert gut? Was frustriert uns?
Statt Wasserfall und Lastenheft braucht es iterative Entwicklung: kleine Schritte, frühe Tests, echte Rückmeldungen. Und das Vertrauen, dass die Menschen im Unternehmen am besten wissen, was wirklich hilft – wenn man ihnen zuhört.
Die richtigen Fragen – bevor Tools ins Spiel kommen
Bevor ein neues Tool eingeführt wird, lohnt es sich, innezuhalten und grundlegende Fragen zu stellen. Nicht nur: Was brauchen wir an Funktionen? Sondern: Was soll sich eigentlich verändern – und warum?
Diese Fragen helfen, den digitalen Bedarf klarer zu sehen:
- Was läuft in unserer Zusammenarbeit gerade nicht rund?
- Worüber ärgern wir uns regelmäßig – obwohl es „schon immer so“ läuft?
- Welche Informationen sind schwer zugänglich, obwohl wir sie oft brauchen?
- Wo entstehen doppelte Arbeit, Missverständnisse oder unnötige Meetings?
- Was würde sich für unsere Kund:innen verbessern, wenn wir hier effizienter wären?
Oft zeigen sich in solchen Reflexionsrunden nicht nur Tool-Wünsche, sondern tieferliegende Struktur- und Kommunikationsfragen. Genau hier setzt das Prinzip meines E-Books Produktiv leben, klar arbeiten an: Klarheit über Aufgaben, Rollen und Abläufe schaffen – bevor man digitale Lösungen darauf stülpt.
Ein Tool ersetzt keine Klarheit. Es kann sie bestenfalls unterstützen. Aber nur, wenn wir vorher wissen, was wir wirklich brauchen.
Erfahrung + Neugier = Erfolg
In vielen Unternehmen klafft ein Graben zwischen „den Erfahrenen“ und „den Digitalaffinen“. Die einen kennen alle Kunden seit Jahrzehnten – die anderen haben keine Angst vor neuen Tools. Doch genau diese Unterschiedlichkeit ist eine Stärke, wenn sie bewusst genutzt wird.
Denn Digitalisierung braucht beides: das tief verwurzelte Wissen um Zusammenhänge, Kunden und Prozesse – und die Offenheit, Dinge anders zu denken. Wenn alteingesessene Mitarbeitende und junge Kolleg:innen miteinander ins Gespräch kommen, entstehen oft die besten Lösungen.
Ein gutes Beispiel sind Tool-Tandems: Eine erfahrene Person bringt ihr Prozessverständnis ein, eine andere testet mit ihr neue digitale Wege. Oder: Jüngere Mitarbeitende übernehmen das Pilotieren eines Tools – mit dem klaren Auftrag, die Alltagstauglichkeit mit den erfahrenen Kolleg:innen abzugleichen.
Wichtig ist: Digitalisierung ist kein Generationenthema. Sie gelingt, wenn alle Beteiligten gehört werden – und gemeinsam herausfinden, was funktioniert. Wer nur auf die „Digital Natives“ oder nur auf die „alten Hasen“ setzt, verschenkt Potenzial.
Pilotieren statt perfektionieren
Die Einführung digitaler Tools scheitert selten an der Technik – sondern oft daran, dass sie „von oben“ verordnet wird, ohne echte Erprobung. Statt monatelang Anforderungen zu sammeln und eine perfekte Lösung zu planen, lohnt sich ein anderer Weg: ausprobieren, lernen, anpassen.
Ein Pilotteam kann ein neues Tool im Alltag testen, Feedback geben und Anpassungsvorschläge machen. Das bringt oft mehr Erkenntnisse als jede Anforderungsliste. Und es erhöht die Akzeptanz – weil Menschen lieber mitgestalten als umsetzen, was andere beschlossen haben.
Wichtig ist, dass der Test klein und konkret bleibt:
- Ein klarer Anwendungsfall (z. B. Projektkoordination, Wissensaustausch)
- Ein begrenzter Zeitraum (z. B. 4 Wochen)
- Ein konkretes Ziel (z. B. weniger E-Mails, mehr Überblick, einfachere Übergaben)
Gerade Microsoft Teams bietet viele Möglichkeiten zum Erproben: Kanäle, Tabs, Planner, OneNote, Loop – mit überschaubarem Aufwand. In meiner Kommunikationsrichtlinie findest du praxiserprobte Regeln, wie diese Tools klug und klar genutzt werden können.
Perfektion entsteht nicht im Entwurf – sondern im Tun. Und Scheitern ist nicht schlimm, wenn es früh geschieht.
Mut zur Lücke – und zum Loslassen
Digitalisierung bedeutet auch: Abschied nehmen. Von Routinen, die lange funktioniert haben. Von handgeschriebenen Zetteln, informellen Absprachen oder Excel-Tabellen, die nur eine Person versteht.
Das fällt nicht leicht – und das ist verständlich. Denn viele dieser alten Wege stehen für Vertrauen, Kontrolle, Sicherheit. Doch sie können zum Hindernis werden, wenn sie Innovation verhindern.
Mut zur Lücke heißt: nicht alles muss sofort ersetzt werden. Aber wir dürfen alte Pfade hinterfragen. Fragen wie:
- Warum machen wir das eigentlich so?
- Wem hilft dieser Schritt – und wem nicht?
- Gibt es heute einen einfacheren Weg – und sind wir bereit, ihn zu gehen?
Loslassen braucht Klarheit und Vertrauen. Deshalb ist es wichtig, Veränderungen gut zu begleiten, transparent zu kommunizieren und gemeinsam Entscheidungen zu treffen.
Digitalisierung mit Augenmaß bedeutet nicht, alles Alte abzuschaffen. Sondern zu prüfen: Was hilft uns wirklich – und was machen wir nur, weil es immer so war?
Fazit und Einladung
Digitalisierung mit Augenmaß heißt nicht: weniger Technik. Es heißt: mehr Bewusstsein. Für das, was wirklich gebraucht wird. Für die Menschen, die damit arbeiten. Für die Wege, die zu Veränderung führen – ohne zu überfordern.
Wer kluge Tools wählen will, braucht keine langen Kataloge. Sondern gute Fragen, Mut zum Testen und Offenheit für echte Veränderung.
Vielleicht stehst du selbst gerade vor einer Entscheidung: Welches Tool passt zu uns? Wie können wir besser zusammenarbeiten? Was braucht es wirklich – und was darf weg?
Dann lade ich dich ein:
- Hol dir das E-Book „Produktiv leben, klar arbeiten“ – wenn du Selbstorganisation in der digitalen Welt stärken willst.
- Lies oder nutze die Kommunikationsrichtlinie für Microsoft Teams – wenn du klare Standards für hybride Zusammenarbeit brauchst.
- Nutze die Eigensinn-Karten – wenn du nach frischen Impulsen für dich oder dein Team suchst.
Denn Digitalisierung beginnt nicht beim Tool. Sondern bei dir.
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