Raus aus dem Eckbüro

von | 23.11.2021 | meineMeinung, selbstOrganisation

New Work sägt an unseren Hierarchien

Vor sechs Jahren druckte die FAZ ein Interview mit der damaligen Siemens Personalchefin Janina Kugel. In dem Gespräch sagte sie: „Klassische Karrieresymbole wie das eigene Eckbüro mit möglichst vielen Fenstern verlieren an Bedeutung.“ Warum das so ist, beantwortet Janina Kugel gleich im Anschluss: Führung muss „die kollektive Intelligenz innerhalb und außerhalb des Unternehmens nutzen, Wissensträger einbinden.“

Als Janina Kugel 2015 das Ende des Eckbüros, über Jahrzehnte das Symbol erfolgreicher Unternehmenskarrieren, beschrieb, hatte sie die Digitalisierung unserer Arbeitswelt im Blick. Und die Veränderungen, die sich für Management und Arbeitsplatz daraus ableiten. Sie beschrieb ihren Blick auf New Work, wie wir es heute oft nennen.

Wir brauchen das Wissen aller

Die kollektive Intelligenz, die Janina Kugel als Voraussetzung für künftigen Unternehmenserfolg ansieht, wird sich nicht mehr allein aus den Boardmeetings auf C-Level ableiten. Die Intelligenz die wir brauchen liegt in den Köpfen aller Menschen im Unternehmen. Für Entscheidungen , die ein Unternehmen in die Zukunft tragen, braucht es schon heute mehr als das Wissen, das in den Sitzungen der TOP-Level-Gremien zusammenkommt.

Management in Zukunft ist etwas anderes als das, was uns Frederick Winslow Taylor vor über 100 Jahren als Wundermittel moderner Unternehmensführung verkauft hat. Was damals funktioniert hat, gehört heute in die Geschichtsbücher der Managementlehre. Denn was in einer Gesellschaft, die Mehrwert aus Wissen zieht, nicht mehr funktioniert, sind die alten Methoden, die Taylor beschrieben hat:

  • Detaillierte und kleinteilige Arbeitsvorgaben
  • Exakte Festlegung von Arbeitsort und -zeit
  • Ausschließlich Top-Down-Kommunikation
  • Need-to-Know – nur soviel Information wie unbedingt notwendig
  • Permanente Beaufsichtigung

(Siehe Taylorismus bei Wikipedia)

In einer Wissensgesellschaft, die wir in Deutschland und vielen weiteren Ländern Europas zweifelsohne mittlerweile geworden sind, ziehen wir Wertschöpfung aus der Kombination von Informationen, die viele Köpfe in einem kreativen Dialog beisteuern.

Künftiger Unternehmenserfolg gründet auf der Fähigkeit, das kollektive Wissen aller Mitarbeiter:innen anzuzapfen und wirksam zu verbinden.

Dieses Anzapfen wird nicht mit Gewalt oder auf Befehl funktionieren. Nicht, indem wir eine Zapfhahn in die Köpfe einschlagen, wie es bei einem Fass Bier funktioniert. Wissen lässt sich nutzen, wenn Menschen sich wohl und gebraucht fühlen. Wenn sie das große Ganze, den Purpose eines Unternehmens erkennen und unterstützen.

Dem Schwarm gehört die Zukunft

Gemeinsam Neues schaffen. Das ist nicht mehr das Privileg kleiner Managementzirkel in den Unternehmen. Es ist Aufgabe aller Mitarbeiter:innen in unseren Organisationen. Denn nur gemeinsam haben wir die geballte Wissenspower, die wir brauchen, um den neuen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Das funktioniert durch schnelles Lernen und Trail and Error. Indem wir neue Dinge probieren, unbekannte Wege testen und schnell umkehren, wenn wir merken, dass wir nicht weiterkommen.

Best Practice, also der Blick in den Rückspiegel und auf den Teller der Anderen hilft uns nicht mehr weiter. Denn das, was andere Tun, was woanders einmal funktioniert hat, wird nur noch selten als Blaupause zur Lösung unserer Probleme und Aufgaben von heute und morgen taugen.

Gunter Dueck, Matheprofessor und ehemaliger Cheftechnologe bei IBM, hat in seinem Buch Schwarmdumm. So blöd sind wir nur gemeinsam der kollektiven Schwarmintelligenz eine Absage erteilt. Zumindest auf dem ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen wird allerdings klar: Es sind vor allem die Meetingorgien, die Dueck anklagt. Wo wir Tag für Tag und Stunde um Stunde unsere Lebens- und Arbeitszeit verplempern, zuhören, wegdösen und am Ende doch nichts Nachhaltiges erarbeitet oder entschieden haben. Das ist nicht die Schwarmintelligenz, die wir in unseren Unternehmen brauchen. Denn in schwarmdummen Meetings kommt es nicht darauf an, Probleme zu lösen oder wirklich Neues zu entwickeln. Schwarmdumme Meetings sind Plattformen, um Bekanntes zum x-ten Mal zu hören und Entscheidungen zu treffen, die vorher bereits feststehen.

Den Schwarm den wir brauchen, das ist die Gemeinschaft von Menschen mit einem gemeinsamen großen Ziel vor Augen. Eine diverse Gruppe von Mitarbeiter:innen, die sich einbringen wollen und dürfen. Die wir zu konstruktiver Kritik ermuntern. Deren Widerspruch wir ernst und zum Anlass nehmen, eine neue und bessere Welt zu bauen.

Chefbüro - Quelle: energepic.com (Pexels)
Chefbüro – Quelle: energepic.com (Pexels)

Warum der Wandel so schwer fällt

Ein Schwarm mit eigenen Ideen bewegt sich in eine Richtung, die wir vorher nicht kennen. Denn der Weg entwickelt sich erst aus ernsthaften, tiefen Gesprächen und der gemeinsamen Suche nach der besten Lösung. Der Weg des Schwarms lässt sich deshalb auch nicht vom Management vorgeben.

Die Rolle des Managements in Unternehmen verändert sich dadurch. Waren Manager früher, zu Zeiten von Taylor, die einzig Wissenden im Unternehmen, so sind Manager heute nicht mehr wissensprivilegiert. Das scheint in einigen Top-Level-Runden noch nicht angekommen. Noch wägen sich viele in einem Wissensvorsprung – den es so gar nicht mehr geben kann.

Auch Fehler dürfen in so einer Kultur des Bewahrens nicht vorkommen. Denn Fehler werden von Konkurrenten in und außerhalb des Unternehmens sofort für Kritik am Menschen genutzt. Schnell werden Fehler als ein Scheitern der Person interpretiert. Das ist einfach und weniger anstrengend, als der Sache auf den Grund zu gehen, einen Vorschlag zu entwickeln, wie es besser geht. Weil Fehler vorschnell genutzt werden, die Fähigkeiten einer Person grundsätzlich in Frage zu stellen, trauen sich nur wenige mit neuen Ideen aus der Deckung. Das lähmt jede Form von Veränderung.


Die neue Kundendatenbank

Nehmen wir zum Beispiel die neue Software, die eine bestehende Kundendatenbank ablösen soll. Ein sogenanntes CRM- (Customer Relationship Management) System. Ein solches System wird vom Vertrieb und im Kundenservice genutzt, um den Kundenlebenszyklus zu dokumentieren. Weil die Umsätze vor sich hindümpeln, in den letzten drei Quartalen sogar rückläufig waren, soll die Datenbank erneuert werden. Denn im Management geht man davon aus, dass die alte Software großen Anteil an den rückläufigen Umsatzzahlen hat. Das scheint logisch, hat doch der größte Wettbewerber vor zwei Jahren sein CRM-System erneuert und seitdem Marktanteile gewonnen.

In Showcases und PoCs (Proof of Concept) lässt man sich in vielen Entscheiderrunden bunte Marketingfolien zeigen. Sogar Live-Sessions mit der neuen Software werden aufgebaut, in der das Management sehen und ausprobieren kann, wie die neue Software funktionieren kann.

Am Ende und nach vielen Monaten des Abwägens fällt eine Entscheidung. Ein neues System wird ausgewählt. Letztlich meist aus einem Bauchgefühl heraus, denn zu komplex, vielschichtig und unüberblickbar waren die Kriterien der unterschiedlichen Systeme.

Bei all der Beschäftigung mit den unterschiedlichen Lösungsoptionen fiel eines gar nicht auf: Die Entscheidung wurde getroffen ohne die Menschen, die am Ende mit dem neuen System arbeiten müssen. Zwar hatte man zu Beginn des Auswahlprozesses versprochen, die Belange der Nutzer zur berücksichtigen, ein externer Beraterstab hat dazu sogar Interviews geführt, doch unterwegs fanden diese immer weniger Berücksichtigung. Denn die vielfältigen Ideen und Wünsche waren in der Entscheidungsmatrix nicht darstellbar.

Am Ende kommt es, wie es bei vielen anderen (Software-) Projekten auch schon gekommen ist: Ein System geht an den Start, das nicht besser ist, als die bisherige Lösung. Nur viel teurer und anders. Die Umsätze hatten sich während der Projektlaufzeit weiter nach unten entwickelt. Das wurde hingenommen – schließlich konzentrierte man sich gerade auf das strategische Softwareprojekt. Das konnte man auch den Mitarbeiter:innen und den Geldgebern so verkaufen.


Der Wandel, den wir in den Unternehmen brauchen, fällt nicht einfach. Denn die, die den Wandel herbeiführen können, verändern damit den eigenen Status quo. Sie sägen an den Ästen auf denen sie heute sitzen.

Viele Manager definieren sich immer noch über Statussymbole. Über Medaillen, die ihnen zugesprochen wurden: Der Firmenwagen auf dem persönlichen Stellplatz vor dem Haupteingang. Die Senator-Karte für die Lufthansa-Lounge im Flughafen. Und das elegante Eckbüro mit den vielen Fenstern und dem eleganten Teppich, das von einem Vorzimmer vor unerwünschten Besuchern abgeschottet ist.

Derartige Symbole der Macht und Herausstellung gehen verloren, wenn wir Arbeit künftig nach Beitrag statt nach Hierarchie organisieren. Denn dann entscheiden Menschen, die mit der Software arbeiten, darüber, welches CRM-System eingeführt werden soll. Dann organisieren sich Kolleg:innnen innerhalb des Projekts so, dass die Arbeit nach Stärken auf die Schultern verteilt ist. So, dass am Ende ein Ergebnis auf dem Tisch liegt, das sie selbst täglich gern nutzen.

Remote Work macht Statussymbole überflüssig

Wie weit sind unsere Unternehmen noch nach der Lehre von Taylor organisiert? Der Umgang mit Remote Work und Homeoffice lässt Rückschlüsse darauf zu. Besonders klar ist die Sache, wenn es Remote Work gar nicht gibt (obwohl das Unternehmen Wissensarbeiter beschäftigt). Bekanntes Beispiel ist Wolfgang Grupp, der Trigema-Chef. In einem Interview mit Business Insider rechtfertigt er seine Homeoffice-Verweigerung so: „Wenn einer was braucht oder will, sieht er gleich, ob ich gerade frei bin.“ Grupp ist eine Generation Manager, die davon lebt und sich darüber definiert, dass seine Mitarbeiter für ihn sichtbar sind. Er geht davon aus, dass er 50 Prozent mehr Mitarbeiter bräuchte, sollte es einen Anspruch auf Homeoffice geben, denn „… bis man all diese Videokonferenzen abgestimmt hat, geht viel Zeit ins Land.“

Wer denkt und handelt wie Wolfgang Grupp, für den ist Remote Work Teufelszeug. Etwas, das nicht taugt für Unternehmen. Dabei gibt es mittlerweile genug Beispiele, die das Gegenteil beweisen.

So gut wie jedes Unternehmen, das seine Mitarbeiter mutig zum Beginn der Corona-Pandemie ins Homeoffice geschickt hat, erlebte Positives. Nicht nur, dass die Mitarbeiter das Homeoffice als Vertrauensbeweis des Chefs erlebten. Es zeigte sich auch, dass das Arbeitsergebnis weiter stimmte oder – gar nicht so selten – noch besser wurde.

Doch einen Nachteil hat Remote Work. Wenn sich die Mitarbeiter:innen nicht mehr um ihre Chefs scharen, verlieren Statussymbole an Bedeutung. Wer nicht mehr quer durch die Welt reist, für den hat der Senator-Vielfliegerstatus keine Bedeutung mehr. Und auch das Eckbüro ist nichts besonderes mehr, wenn niemand drin sitzt und kein Mitarbeiter anerkennend drein blickt.

Auf der anderen Seite gewinnen immaterielle Güter an Bedeutung. Neben der Möglichkeit den Arbeitsort und auch die Zeit selbstbestimmt zu wählen, sind es weniger Pendelzeit und mehr Familienzeit, die zunehmend als wertvoll anerkannt werden. Und auch das Team profitiert. Wie in Remote Projekte ausgeführt, sind es vor allem mehr Flexibilität und ein größerer Fokus, mit dem wir im Team unsere gemeinsamen Projekte und Aufgaben voranbringen.

Weil wir so erzogen wurden

Einen Vorwurf mache ich Wolfgang Grupp nicht. Er hat ein Unternehmen aufgebaut, das er als Frontman erfolgreich präsentiert. Auch macht er keinen Hehl daraus, wie wichtig ihm die Präsenz sener Büroangestellten ist. Da geht er mit Beispiel voran und hat selbst seinen Arbeitsplatz im Großraumbüro, was er als passend beschreibt. Fragt man die Beschäftigten bei Trigema, ergibt sich oft ein anderes Bild. Das Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu spiegelt einige kritische Stimmen. Selbst die, die dort arbeiten, bemängeln den Führungsstil und das Fehlen von Homeoffice-Angeboten (auch während der Corona-Pandemie) als nicht mehr zeitgemäß.

Wolfgang Grupp tut und handelt, wie viele Unternehmenslenker. Das, was er vor Jahrzehnten erlernt und seitdem so praktiziert hat, wird als passend empfunden. Ein Managementstil nach dem Vorbild von Taylor, ausgelegt auf Präsenz, Befehl von Oben und Gehorsam da Unten.

Wir nehmen das so hin. Aus Gewohnheit und weil die Generation, die seit über einem Jahrzehnt im Berufsleben steht und bereits ein Stück die Karriereleiter emporgestiegen ist, das so erlernt hat und mittlerweile davon profitiert. Wer oben in der Krone des Baumes sitzt und den Ausblick genießt, tut sich schwer mit einem Verjüngungsschnitt. Doch so einen Verjüngungsschnitt braucht nicht nur der Apfelbaum im Garten, um auf Dauer saftige Äpfel zu tragen. Auch in Unternehmen braucht es solche Schnitte. Die gibt es auch – allerdings ganz anders als notwendig.

Cost Cutting

Ein neuer Vorstandsvorsitzender wird berufen. Die ersten Monate folgen dann oft einem Drehbuch, das so oder ähnlich spielt: Um die Belegschaft nicht zu verunsichern verkündet der neue Chef (ja, meist ein Mann), das Unternehmen im Sinne seines Vorgängers weiterzuführen. Parallel, anfangs hinter vorgehaltener Hand, wird auf die Fehler und Versäumnisse des Ausgeschiedenen hingewiesen. Denn das rechtfertigt vermeintlich notwendige und finanziell aufwändige Korrekturmaßnahmen. Mehr Budget wird gefordert, um Umzustrukturieren, Personal abzubauen, Unternehmensteile auszugliedern und neue Systeme einzuführen. Das sei alternativlos wird argumentiert. In den Jahren danach wird dann, weil von den Unternehmenseignern und Aufsichtsgremien gefordert, von diesem höheren Budget wieder eingespart. Nicht alle Vorhaben werden umgesetzt. Oft bleibt es bei Entlassungen und pauschalen Budgetkürzungen, sogenanntes Cost Cutting.

Dieses Cost Cutting gilt immer noch als Standardwaffe der Unternehmenschefs, auch, weil die gebuchten Beraterstäbe nach aufwändigen und teuren Analysen genau dieses vorschlagen. Cost Cutting kümmert sich um Kostensenkung, meist nach dem Rasenmäherprinzip: Alles was aus der Deckung spitzt wird rasiert. So haben junge Pflanzen keine Chance und prächtige Blüten werden gekürzt, manchmal bis sie verwelken.

Dem Schwarm gehört die Zukunft

Ist Cost Cutting die Lösung, die unsere etablierten Unternehmen in die Zukunft trägt? Wohl kaum. Denn in Zeiten, wo neue Ideen gute Chancen auf Millionen an Startup-Finanzierung haben, wo pfiffige Plattformgedanken den alten Geschäftsmodellen die Kunden abgraben, wo immer mehr, vor allem junge Menschen nach einem Unternehmens-Purpose verlangen, da passen alte Managementmethoden nicht mehr hin.

Der Weg in die Zukunft unserer Organisationen wird sich nicht mehr aus dem Blick in den Rückspiegel ableiten lassen. Nicht mehr das Fortschreiben von Zahlen der Vergangenheit wird die Zukunft beschreiben. Vielmehr speist sich unser Morgen aus den Ideen der Menschen heute.

Daneben wird sich auch einiges in unseren Unternehmen verändern. Management und Führung werden sich verändern. Neue Werte und Maßstäbe kommen zum Einsatz. Der Wandel hat begonnen. Das ist gut so und höchste Zeit.

Aufgaben und Ziele treten in den Vordergrund – nicht Personen

Organigramme waren Jahrzehnte das Erste, was neue Mitarbeiter zu Gesicht bekamen. Je größer das Unternehmen, desto verzweigter und höher der Hierarchiebaum. Hierarchien sind praktisch, wenn es darum geht, Befehlsketten abzubilden. Wer hat wem was zu sagen? Wer berichtet an wen? Das lässt sich in einem Organigramm klar und zweifelsfrei festhalten.

Doch bereits in den letzten Jahren haben wir feststellen müssen, dass klassische Organigramme nicht mehr vollständig funktionieren. Gerade bei Projekten, die oft neben der normalen Linienarbeit initiiert werden, zeigt sich das. Wenn das Projektteam aus unterschiedlichen Teams zusammengewürfelt ist, vielleicht sogar mehrere Hierarchien dort vertreten sind, stimmt die Projektorganisation nicht mehr mit dem Unternehmensorganigramm überein. Bei größeren Projekten wurde dann gern noch ein eigenes Projektorganigramm erstellt – deutsche Gründlichkeit und Gewohnheit eben.

Je vernetzter wir arbeiten, denken und handeln, desto öfter werden wir erkennen, dass klassische Hierarchien und Organigramme nicht mehr funktionieren.

Arbeit organisieren wir zunehmend über Aufgaben und Ziele. In Projekten ist das bereits so. Zunehmend treffen wir solche neuen Organisationsformen auch in Linienfunktionen an. Da ist es nicht mehr ausschließlich der Vertrieb, der den Auftrag mit dem Kunden verhandelt. Schon heute sind oft auch Techniker, Kaufleute, Juristen und ITler involviert, die gemeinsam, vom Angebot bis zum ausgelieferten Produkt, den Kunden begleiten.

Ein Beispiel aus meiner Praxis: Die Qualität des Kommunikationsnetzes zu verbessern war das Ziel, das ich gemeinsam mit einem Team an Spezialisten verfolgt habe. Wir kamen aus unterschiedlichen Funktionen und Positionen. Doch für unser gemeinsames Ziel, haben wir eigene Verantwortlichkeiten und Aufgaben geschaffen. Parallel und neben den Funktionen, die wir im Tagesgeschäft bekleideten. Mitglied im Team wurde, wer bestmöglich unterstützen konnte, um das Ziel zu erreichen. Hierarchien spielten dabei keine Rolle.

Mit Projekten gewinnen. Hier erfährst du, wie wir mit geringem Aufwand und maximalem Fokus wiederholt den renommierten connect Festnetztest gewonnen haben.

Künftig werden wir Unternehmen um Aufgaben und Ziele organisieren.

Wechselnde Rollen

Statt Positionen werden wir Rollen besetzen. Es wird nicht mehr die Position des Key Account-Vertrieblers sein, die wir besetzen. Sondern die Rolle des Ansprechpartners für den Kunden. Rollen werden definiert nach dem Mehrwert, den sie schaffen. Der Ansprechpartner etwa, der dem Interessenten die maßgeschneiderte Lösung für sein Problem entwirft. Waren es früher Positionen mit starren Stellenbeschreibungen, werden wir künftig Rollen beschreiben, von denen wir oft mehrere parallel ausfüllen.

Wir werden zwischen den Rollen wechseln, neue werden hinzukommen, bestehende werden wegfallen. Im Privaten kennen wir das bereits. Da sind wir erst in der Rolle des Kindes, später Partner:in (einer Beziehung), dann Eltern, Vereinskammerad, Elternbeirat, Opa oder Oma. Manche Rollen füllen wir parallel aus, manche nacheinander. Die einen passen besser, andere mögen wir nicht so leiden.

Im Laufe unseres Arbeitslebens werden wir in viele Rollen schlüpfen, die sich immer seltener aus dem Beruf definieren, den wir vielleicht irgendwann mal erlernt haben.

Wie Digitalisierung Arbeit und Management verändert legt den Blick auch auf die Veränderungen bei den Berufen von heute.

Führung auf Zeit

Einmal Chef, immer Chef. Was für Karrieren der Vergangenheit selbstverständlich war, wird so nicht mehr für die Zukunft gelten. Nicht nur, weil es immer weniger Chefs (im klassischen Sinn) braucht. Vielmehr hängt das mit den Aufgaben und Rollen zusammen, die sich unterwegs verändern. Führung wird künftig nicht mehr auf Lebenszeit verliehen, sondern nur noch für die Dauer des Projekts, der Aufgabe oder des Engagements im Unternehmen. Und auch nicht mehr von Oben verliehen, sondern aus dem Team heraus gewählt bzw. bestimmt.

Früher war es eine Form der Ehre und Anerkennung, zum Chef ernannt zu werden. Heute wird Chef sein durchaus auch als Last und Bürde empfunden, die mal abgelehnt werden kann. Zum Beispiel, weil die Rolle als Eltern gerade einen höheren Fokus und Stellenwert genießt, als die angetragene Führungsrolle.

Wer eine Führungsaufgabe übernimmt, tut dies zunehmend zeitlich befristet. Das ist noch ungewohnt und anfangs – bei uns Älteren – durchaus mit einem komischen Gefühl verbunden. Ich erinnere noch ganz genau die ersten Monate, nachdem ich meine erste Führungsrolle verlassen habe. Plötzlich war die herausgehobene Stellung weg. Doch gleichzeitig war es auch eine Last, der ich mich entledigen konnte, weil Management doch oft mit Business Theater verbunden ist. Wo wir Erwartungen erfüllen sollen, die nichts mit der eigentlichen Aufgabe und dem, warum wir einmal die Position übernommen haben, zu tun haben.

Der 10-Jahres-Plan ist der Agilität ihr Tod zeigt was passiert, wenn Planerfüllung wichtiger ist als das Reagieren auf die aktuelle Ereignisse.

Die Teamvereinbarung - Quelle: www.janetschke.de
Die Teamvereinbarung – Quelle: www.janetschke.de

Die Teamvereinbarung

Wenn Ziele unser Handeln bestimmen, Rollen sich laufend ändern und Führung nur noch auf Zeit erfolgt, braucht es eine andere Form der Teamorganisation. Vorgaben gibt es dann nicht mehr von außen – sondern von innen. Teams werden selbstständig Absprachen treffen, sich Regeln geben, die für die Gruppe gelten, die Orientierung geben und effizientes Arbeiten ermöglichen. Das Team gibt sich eine Teamvereinbarung, einen Teamkodex.

Ein wirksamer Kodex schafft eine gemeinsame Identität, indem er beschreibt, warum es das Team gibt, was die gemeinsamen Interessen und Ziele sind. Die Vereinbarung legt fest, wie sich das Team organisiert und welche Spielregeln gelten.

Eine wirksame Teamvereinbarung stellt dem Purpose in den Mittelpunkt. Sie berücksichtigt die Menschen als Team und individuell, indem sie sowohl die Teamziele aber auch die persönlichen Ziele berücksichtigt. Vollständig ist die Teamvereinbarung, wenn sie die Stärken und Fähigkeiten des Teams ebenso herausstellt, wie die Schwächen und Risiken.

Die Vorlage einer Teamvereinbarung gibt es hier zum Download.

Selbstorganisation ist Voraussetzung

Karriere wird immer weniger an Hierarchien hängen. Nicht mehr die Stufe im Unternehmensorganigramm wird über ein gutes Berufsleben entscheiden. Echtes New Work braucht keine Hierarchien mehr. Sondern Teams mit gemeinsamen Zielen.

Unternehmen, die sich von klassischen Organigrammen lösen, die Selbstorganisation von Teams eine Chance geben, werden wendig und anpassungsfähig genug sein, um die vielen Herausforderungen der Gegenwart zu meistern.

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