Es war Freitag, der 13. An diesem Tag im März 2020 war mein letzter normaler Arbeitstag im Büro. Ich war in der Niederlassung in Nürnberg, als mich am Nachmittag die E-Mail erreichte, dass nach dem Wochenende alle Büros an allen Standorten des Unternehmens geschlossen bleiben. Für mich und für alle anderen Wissensarbeiter.
Von vier auf 27 Prozent schnellte die Zahl der Beschäftigten nach oben, die zu Beginn der Corona-Pandemie ganz oder teilweise aus dem Büro ins Homeoffice gewechselt haben1. Jetzt, im Frühling 2022, wo wir bei sinkenden Corona-Zahlen wieder so etwas wie Normalität im Arbeitsalltag spüren, steht bei den Unternehmen die Frage ins Haus: Kommen wir zurück zur Präsenzpflicht in den Büros?
Nein, kommen wir nicht. Da bin ich mir sicher.
Büros als Arbeitsplatz werden nicht mehr gebraucht
Seit Mitte April sinken die Corona-Zahlen wieder. Es wird erkennbar, dass wir die dritte Welle überwunden haben. Und immer mehr Unternehmen planen, ihre Mitarbeiter zurück in die Büros zu holen. Homeoffice ade.
Doch wer meint, jetzt ist es Zeit, zur alten Büroarbeit zurückzukehren, der täuscht sich. Gewaltig sogar. Denn das zweijährige Homeoffice-Experiment war viel zu erfolgreich, als dass wir die positiven Erkenntnisse daraus in eine Schublade packen können.
- Mitarbeiter, die glauben, dass ihr Arbeitsplatz wie früher wiederkehrt, werden enttäuscht sein. Videokonferenzen und virtuelle Zusammenarbeit werden bleiben. Die neuen Tools, wie Slack, Teams und Zoom werden nicht abgeschaltet, nur weil Präsenz wieder möglich ist.
- Unternehmen, die meinen, ihre Angestellten kämen alle wieder zurück, wenn Präsenzpflicht gefordert wird, die täuschen sich. Mitarbeiter werden die neue Flexibilität, die ersparten Pendelwege und -zeiten und die neu justierte Work-Life-Balance weiter nutzen wollen und deshalb einfordern.
Büros als Arbeitsplatz werden wir nicht mehr benötigen. Zumindest nicht mehr so, wie wir sie vor Corona gewohnt waren. Als Orte voller Schreibtische, die letztlich dazu dienten, Mitarbeiter sichtbar, verfügbar und kontrollierbar zu machen. Präsenz und Sichtbarkeit des Körpers werden nicht mehr das Maß sein, woran wir Erfolg messen und wie wir Karrieren schmieden.
Vor allem Start-ups machen es vor
In den letzten zwei Jahren höre ich viel öfter vom Purpose. In Unternehmen wird häufiger die Sinnfrage gestellt. Weil immer mehr Verantwortliche an den Schalthebeln der Unternehmenszentralen erkennen, dass profitables Wachstum nicht das ist, was Menschen motiviert, sich einzusetzen. Vor allem dann nicht, wenn mehr Profit primär die Taschen von Wenigen füllt.
Wachstum ist gut und wichtig. War es in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg (in Europa) vorrangig materielles Wachstum, ist es heute ein anderes Wachstum, nach dem wir streben sollten. Geistiges Wachstum, mehr Zufriedenheit und Klimaschutz.
Viele junge Unternehmen haben das bereits erkannt. Ich denke da an Zolar, das Unternehmen, das mir vor drei Jahren eine Fotovoltaik-Anlage mit Speicher aufs Dach gebaut hat. Bei meinem Kontakt mit Zolar habe ich an etlichen Stellen erlebt, was Zolar unter dem Slogan eine lebenswerte Erde für alle Menschen versteht. Klar kann Zolar nur dann erfolgreich im Markt bestehen, wenn das Unternehmen letztlich auch profitabel wirtschaftet. Doch bei meiner Kaufentscheidung war das kein Argument, dem ich besonderen Wert beimaß. Viel wichtiger war mir das Gefühl, bei einem Unternehmen zu kaufen, dem ich abnahm, dass es mir eine Lösung bietet, die sich für die Umwelt und mich auszahlt2.
Bei DoIst, des Unternehmen, das hinter der Aufgaben-App steckt, die ich seit Jahren nutze, folgt dem Slogan building the future we want to work in. Das merke ich, wenn ich die App ToDoIst nutze oder Support benötige. Auch das Team bei DoIst hat sich danach aufgestellt. Über 100 Mitarbeiter arbeiten völlig remote von 65 unterschiedlichen Orten auf der Welt zusammen. Jede:r von ihnen an seinem Lebensmittelpunkt, trotzdem gemeinsam als Team in einem erfolgreichen Unternehmen3.
Zwei Beispiele von erfolgreich wachsenden Unternehmen. Dabei wachsen Zolar und DoIst nicht wegen des Profits, den sie erwirtschaften. Sie wachsen, weil sie einem Unternehmenszweck – neudeutsch: Purpose – folgen.
Wir benötigen auch künftig das Büro
Als Remote Work-Liebhaber, klatschte ich innerlich in die Hände: Als wir nach ein paar Wochen Corona-Homeoffice allesamt feststellten, dass Remote Work funktioniert. Mehr noch. Viele Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden ins Homeoffice schicken konnten, erzielten bessere Ergebnisse. Sowohl bei den Finanzkennzahlen als auch bei den Beliebtheitswerten.
Doch mittlerweile ist mein innerliches Frohlocken einer Hab-Acht-Stellung gewichen. Denn nicht nur ich erkenne nach zwei Jahren (fast) ausschließlichem Remote Work, dass die Herausforderungen dieser neuen Arbeitsweise erst mit der Zeit sichtbar werden.
Unternehmen sind wie lebende Organismen. Sie entwicklen sich weiter. Neue Abteilungen und Teams entstehen. Mitarbeitende kommen, gehen oder wechseln intern. Und weil sich auch der Markt ständig verändert, müssen wir auch Strategie, Produkte und Ausrichtung im Unternehmen permanent neu justieren.
Unternehmen entstehen, weil wir es nicht allein schaffen
Unternehmen existieren immer aufgrund der Tatsache, dass ein Einzelner das Ergebnis nicht erreichen kann. Das gilt für alte Unternehmen wie Autohersteller ebenso, wie für die neuen Plattformanbieter wie Airbnb und Amazon.
Weil Autos noch immer von mehr als zwei Händen entwickelt und zusammengebaut werden, braucht es auch heute noch Unternehmen, in denen Menschen zusammen kommen, um Autos zu bauen. Das klappt nur dann erfolgreich, wenn diese Menschen als Team zusammenarbeiten, wenn sie ihre Stärken einbringen und gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten.
Unternehmen brauchen erfolgreiche Teams
Gutes Teamwork ist der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens. Voraussetzung dafür ist Vertrauen, gegenseitiges Kennen und Wertschätzung. Weil diese Voraussetzungen gegeben waren, konnten wir über Nacht ins Homeoffice springen. Wir wussten wie unsere Kolleg:innen ticken, was sie können und wie wir mit ihnen zusammenarbeiten müssen.
Wenn sich über die Zeit die Teams verändern, wird es zur Herausforderung, gutes Teamwork fortzuführen. Wir müssen Mittel und Orte finden, die diese Teambildung unterstützen. Ein guter Ort dafür kann das Büro im Unternehmen sein.

Das Büro wird sich verändern (müssen)
Wenn wir Büros mehr als Orte des Miteinander erkennen und weniger als Ort, an dem unser Schreibtisch steht, verändert das den Mehrwert, den ein Büro bietet. Als Wissensarbeiter können wir überall dort gut arbeiten, wo es uns gefällt – vorausgesetzt wir haben Internetanschluss.
Als Team zusammenarbeiten können wir nur, wenn wir einander Vertrauen, Kennen und Wertschätzen. Damit es so weit kommt, müssen wir uns erst gegenseitig besser kennenlernen. Das klappt mittels Video und Mikrofon relativ gut. Doch noch viel besser und vor allem nachhaltiger klappt das, wenn wir an einem Ort zusammenkommen, wenn wir unser Gegenüber im Team als Menschen buchstäblich von Kopf bis Fuß mit jeder Falte und jedem Grübchen wahrnehmen können. Dafür benötigen wir Orte der Begegnung. Dafür braucht es auch künftig das Büro.
Schreibtische raus – Atmosphäre rein
Büros werden für manche von uns auch künftig der Arbeitsort bleiben. Weil sie in der Wohnung nicht die Ausstattung oder die Ruhe haben, die es für Wissensarbeit benötigt. Diesen Menschen müssen Unternehmen auch künftig einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen. Einen Platz, der Deep Work möglich macht. Ein Großraumbüro ist das sicher nicht.
Für die Menschen, die am besten in den eigenen vier Wänden, in einem Co-Working-Space, in einer einsamen Hütte, am Strand oder in einem Wohnmobil arbeiten, muss es sollten auch künftig diese Möglichkeiten geben.
Über mein Mobiles-Arbeiten-Experiment, das ich in meinem Campervan begonnen habe, erfährst du hier mehr.
Wenn wir die Büros der Zukunft gestalten, dann benötigen wir dort mit Sicherheit weniger Schreibtische. So entsteht Raum, den wir mit Wohlfühl-Atmosphäre aufladen können. Was es dazu braucht? Das sollten wir mit denen besprechen, die dort arbeiten wollen oder müssen. Unter uns: Wahrscheinlich werden Fußball-Kicker und Mate-Tee nicht die wichtigsten Zutaten sein.
Wir benötigen Orte der Begegnung
Wir verabreden uns mit anderen Menschen an Orten, an denen wir uns wohlfühlen. In einem gemütlichen Café, draußen im Park oder zum Essen in einem leckeren Restaurant. Künftig werden wir auch unsere beruflichen Verabredungen an solchen Orten treffen. Außerhalb des Unternehmens oder innerhalb.
Unternehmen profitieren, wenn sie ihren Mitarbeitenden solche Orte der Begegnung zur Verfügung stellen. Vor allem dann, wenn diese Orte Atmosphäre ausstrahlen, zum Verweilen einladen und darüber hinaus Möglichkeiten zur Zusammenarbeit bieten.
Das Unternehmen Vitra hat sich dazu innovative Gedanken gemacht. Daraus ist etwa das Dancing Office4 entstanden. Schreibtische und flexible Wände auf Rädern machen möglich, dass Teams temporär zusammen kommen, um gemeinsam an Projekten zu arbeiten oder Ideen zu entwickeln. Kein Team-Raum ist wie der andere. Jeder Raum ist individuell und flüchtig. Er entsteht, wenn Teams zusammenkommen und löst sich wieder auf, wenn das Projekt beendet oder das Team nicht mehr da ist.

Aufbruch in unser neues Büro
Ideen sind vorhanden. Möglichkeiten und erste Erfahrungen auch. Wir erkennen immer mehr, was wir verändern müssen, um Büros in unseren Unternehmen künftig attraktiv zu halten.
Immer seltener werden sich Mitarbeitende für Wissensarbeit ins alte Büro kommen. Ein Unternehmen als Ort mit vielen Schreibtischen und 9-to-5-Anwesendheiten führt in eine Sackgasse. Wir benötigen ein anderes Bild und Selbstverständnis für ein Büro, in das wir gern kommen. Wir brauchen Büros, in denen der Unternehmensgeist zu spüren ist. Und wir brauchen Büros, die uns anziehen, weil wir dort unser Team in angenehmer Atmosphäre treffen können. Das macht uns und Unternehmen stark.
- Studien zu Homeoffice und Mobiler Arbeit, Hans-Böckler-Stiftung ↩
- ZOLAR GmbH ↩
- Doist Inc. ↩
- Das flexible Vitra Dancing Office ↩
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