Der Blick schweift nach rechts zum Fenster. Meine Augen sind trocken. Die stundenlange Arbeit am Bildschirm schlaucht. Auch im Homeoffice. Dabei scheint draußen die Sonne. Endlich mal wieder. Wir haben Ende Februar. Seit drei Monaten haben wir unseren Kastenwagen. Unser Wohnmobil von Pössl. Einen Camper, mit dem ich nicht nur Reisen will. Einen Van, für’s Leben und Arbeiten. Mobiles Arbeiten.
Ilse: unser erstes Wohnmobil
Fünf Jahre lang, bis 2016, hatten wir schon mal ein Wohnmobil. Ein richtiges, so eines mit Alkoven und Stockbetten für die Kinder. Das haben wir dann verkauft. Aus Vernunft. Weil der Unterhalt einiges an Geld verschlingt. Ob wir damit unterwegs sind oder nicht.
Ich hatte das mal überschlagen: Zehn Euro hat uns das Wohnmobil damals ungefähr jeden Kalendertag im Jahr gekostet. Ob wir damit unterwegs waren oder nicht. Bei 30 Tagen Urlaub und ein paar Wochenendtrips ein ziemlicher Tagessatz, umgerechnet auf die Reisetage. Das war dann auch unser Argument, unsere Ilse, wie wir das Wohnmobil getauft hatten, zu verkaufen. Kein leichter Abschied. Schließlich verbanden wir mit unserer Ilse viele schöne Urlaubserinnerungen.

Mit Corona haben wir unsere Karten neu gemischt
Auch den Jahren ohne unsere Ilse haben wir tolle Urlaube verbracht. Reisen in die Ferne waren mittlerweile mit unseren Jungs möglich. Sie waren mittlerweile groß genug, ihre Koffer selbst zu schleppen. So haben wir tolle Urlaube erlebt und konnten einige Länder Europas und Amerika bereisen.

Ilse hat sich unser Reiseverhalten verändert. Waren wir vorher, zu zweit und auch zu viert, überwiegend als Pauschaltouristen unterwegs, taugte uns das mittlerweile nicht mehr. In vollen Hotels am Buffet anstehen, ein freies Plätzchen zwischen den mit Handtüchern reservierten Liegen suchen und mit mehreren hundert Fremden Zelle an Zelle nächtigen, das war nicht mehr, wie wir unseren Urlaub gestalten wollten. Das war die Zeit, als wir Airbnb für uns entdeckten: In den eigenen vier Wänden an fremden Orten wohnen.

Und dann kam Corona. Das Virus hat unser Reiseverhalten verändert – besser gesagt: Wir waren erst mal gar nicht mehr unterwegs. Über ein Jahr lang. Doch dann zog es uns wieder in die Fremde.
Auf der Suche nach einer passenden Unterkunft, an beliebiger Stelle in Deutschland, stolperte ich über ein Wohnmobil. Wie ich von Airbnb zu einer Wohnmobilvermietung kam, kann ich gar nicht mehr sagen. In kurz: Wir mieteten uns ein Wohnmobil. Für zwei Wochen, mit vier Schlafplätzen. Reisen wie früher, zu Zeiten von Ilse. Sofort waren wir wieder in unserem Element und merkten, wie uns diese Art des Reisens immer noch faszinierte. Unterwegs zu Hause sein. Das wollten wir wieder.

Ob es die rosarote Brille war oder etwas anderes, vermag ich nicht zu sagen. Aus allen Blickwinkeln, die ich einnahm, erschien es mir, als wäre jetzt der passende Zeitpunkt, wieder ein Wohnmobil zu haben.
- Die Kinder sind mittlerweile groß und die Zeit der gemeinsamen Urlaube absehbar.
- Es gibt noch viele Ecken in Deutschland und Europa, die wir erkunden wollen.
- Die Pandemie hat unsere Art des Reisens verändert. Wahrscheinlich nachhaltig.
- Wir sind nicht mehr an die Ferienzeiten gebunden und können spontaner verreisen.
- Mein Arbeitsplatz ist nicht mehr an ein Büro gebunden. Mobiles Arbeiten ist problemlos möglich.
Das alles und die Gespräche mit meiner Frau haben unsere Entscheidung reifen lassen: Wir wollen wieder ein eigenes Wohnmobil.
Und nach über einem Jahr des Wartens, kam unser Kastenwagen Ende 2021 bei uns an. Rudi.

Nach unseren Vorstellungen
Als erfahrende Camper haben wir so unsere Vorstellungen. Davon, wie wir das Fahrzeug nutzen wollen und wie es ausgestattet sein soll. Wir hatten die Möglichkeit, einige der Vorstellungen und Ansprüche, ab Werk zu buchen.
Unter uns: Die Wartezeit und die vom Hersteller und Händler unterwegs kommunizierten Verzögerungen (letztlich haben wir 15 statt der prognostizierten zehn Monate gewartet), Veränderungen (eine Dieselheizung war plötzlich nicht mehr lieferbar und eine Auslieferung auf unbestimmte Zeit verzögert) und Mängel (ich habe erst gestern wieder zwei 19er-Muttern an der Anhängerkupplung festgezogen, die nur händisch fixiert waren).
Schließlich haben wir unseren Kastenwagen doch so bekommen, wie er für uns passt. Fast zumindest. Einiges habe ich bereits angepasst, manches wird noch folgen.
Und was wir sonst noch vermissen oder ändern wollen, wird sich zeigen. So ein Camper ist ein Dauerprojekt. – Das wissen wir.
Leben und Arbeiten im Van
Mir ist es zu wenig, mit Rudi nur in den Urlaub zu fahren. Ausflüge im Camper wollen wir auch an (verlängerten) Wochenenden unternehmen. Und ich habe mir vorgenommen, den Van als Arbeitsplatz zu nutzen. Mit kurzen Wegen zwischen Schlaf- und Arbeitszimmer.
Weil ich die Möglichkeit habe, (weitestgehend) ortsunabhängig zu arbeiten, werde ich dieses Experiment wagen. Denn ein Notebook und eine Internetanbindung genügen, damit ich arbeiten kann. Ob das so klappt und mit welche Hürden mir unterwegs begegnen, wird sich zeigen.
Mein Leben und Arbeiten im Campervan werde ich festhalten. Für mich und in meinem Blog. Einige meiner Erlebnisse, meine Sorgen und Freuden werde ich teilen.
Ich bin überzeugt, dass es mittlerweile gut möglich ist, Wissensarbeit unabhängig von einem festen Arbeitsort zu erledigen. Mehr noch: Ich glaube, dass es unserer Kreativität und Leistungsfähigkeit hilft, wenn wir unseren Arbeitsort immer wieder wechseln. Perspektivenwechsel auf Rädern sozusagen.
Es ist Zeit.

0 Kommentare